BFH klärt wichtige Frage zur Abzinsung von Verbindlichkeiten

Die Abzinsung einer Verbindlichkeit hat auch dann zu unterbleiben, wenn das Darlehen erst nach dem Bilanzstichtag unbedingt verzinslich ist.

Die Abzinsung von Verbindlichkeiten birgt seit jeher Konfliktpotenzial – namentlich im Rahmen von Betriebsprüfungen. Eine bedeutsame Zweifelsfrage hat der BFH unlängst mit Urteil vom 18.9.2018 (XI R 30/16, BStBl. II 2019, S. 67 ff) geklärt, und festgehalten, dass die Abzinsung einer Verbindlichkeit auch dann nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG zu unterbleiben hat, wenn das Darlehen nicht für die gesamte Laufzeit, sondern erst für Zeiträume nach dem Bilanzstichtag unbedingt verzinslich ist.

1. Hintergrund

Der Grundsatz der Abzinsung von Verbindlichkeiten folgt der Annahme, dass erst in ferner Zukunft zu leistende Geldbeträge den Schuldner weniger belasten, als eine sofortige Leistungspflicht. Entsprechend ist gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG von einer Abzinsung insbesondere dann abzusehen, wenn die Verbindlichkeit verzinslich ist oder am Bilanzstichtag eine (Rest-)Laufzeit von weniger als zwölf Monat aufweist. Trotz eines umfangreichen Kataloges von Verwaltungsanweisungen und Finanzgerichtsurteilen liegt insoweit nach wie vor vieles im Schatten des Ungewissen.

2. Essenz der Entscheidung

Eine dieser Zweifelsfragen hat der BFH unlängst mit Urteil vom 18.9.2018 (XI R 30/16) erhellt, und – aus praktischer und rechtsdogmatischer Sicht begrüßenswert – festgehalten, dass die Abzinsung einer Verbindlichkeit auch dann zu unterbleiben hat, wenn das Darlehen nicht für die gesamte Laufzeit, sondern erst für Zeiträume nach dem Bilanzstichtag unbedingt verzinslich ist. Denn auch in derlei Fällen steht bereits am Stichtag fest, dass es keinen künftigen wirtschaftlichen Vorteil mehr geben wird, den es durch eine Abzinsung abzuschöpfen gälte. Insofern sind am Bewertungsstichtag auch Zinsaspekte der Zukunft zu berücksichtigen.

Wird hingegen – umgekehrt zu der Lage des Streitfalls – ein bislang verzinsliches Darlehen fortan unverzinslich gestellt, ist nach wie vor eine Unverzinslichkeit ab dem Zeitpunkt der Vereinbarung anzunehmen (BFH v. 22.7.2013, I B 183/12, Tz. 7). Diese Auffassung teilt auch die Finanzverwaltung (BMF v. 26.5.2005, BStBl. I 2005, 699 Tz. 18). Dies wird gemäß den Entscheidungsgrundsätzen des Besprechungsurteils gleichermaßen bereits am Bilanzstichtag zu berücksichtigen sein müssen, selbst wenn die Unverzinslichkeit erst ab dem folgenden Wirtschaftsjahr Platz greift.

3. Weiterhin offene Zweifelsfragen

Neben der insoweit erfreulichen Entscheidung des XI. Senats hat dieser bedauerlicherweise weitere Aspekte der Abzinsung von Verbindlichkeiten ausdrücklich offengelassen. Nicht höchstrichterlich geklärt und damit unsicherheitsbehaftet ist daher (weiterhin) (i.) die Handhabung einer (nur) bedingten Verzinsung, (ii.) die Frage nach der Abzinsung einer nur minimal verzinslichen Verbindlichkeit und (iii.) die steuerliche Behandlung einer Verbindlichkeit, die nur für einen kurzen Zeitraum verzinslich ist. Erfreulich ist, dass jedenfalls die Finanzverwaltung in den beiden letztgenannten Fällen von einer Abzinsung absieht (BMF v. 26.5.2005, a.a.O., Tz. 13, 17, 19).

4. Gestaltungshinweis

Letztendlich lassen sich aber selbst die bislang noch nicht höchstrichterlich beschiedenen Fälle auf dem Gestaltungswege absichern, indem die jeweiligen Darlehensverträge durch eine (ggf. nur geringfügige) unbedingte Zinskomponente ergänzt werden. Da der Norm keine Vorgabe über die Höhe der Verzinsung zu entnehmen ist, hat der Steuerpflichtige nach h.M. ein faktisches Wahlrecht, durch entsprechende Vertragsgestaltung eine Abzinsung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG herbeizuführen oder zu vermeiden.

5. Literaturhinweis

Für eine ausführliche Besprechung der Entscheidung sowie eine eingehende kritische Würdigung der weiterhin offenen Fallvariationen sei auf den aktuellen Beitrag von Mirbach/Mirbach in NWB Heft 7/2019, S. 396 ff. verwiesen.