Steuerfreier Immobilienverkauf auch bei nicht ausschließlicher Selbstnutzung

Eigennutzung von einem Jahr und zwei Tagen genügt für Steuerfreiheit des Veräußerungsgewinns. 

Unlängst hat das FG Baden-Württemberg mit der Entscheidung 13 K 289/17 (EFG 2019, S. 710) bekräftigt, dass eine „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ i.S.d. § 23 EStG auch dann vorliegt, wenn das Grundstück im Veräußerungsjahr nur zeitweise zu eigenen Wohnzwecken genutzt und im Anschluss daran bis zur Veräußerung für mehrere Monate fremdvermietet wurde (vgl. dazu auch Mirbach, DStRK 2019, S. 153).

I. Sachverhalt

In dem Streitfall hatte der Kläger in 2006 eine Eigentumswohnung erworben und diese bis April 2014 durchgehend zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Von Mai 2014 bis Dezember 2014 vermietete er die Wohnung und veräußerte sie sodann mit notariellem Kaufvertrag vom 17.12.2014. Das beklagte Finanzamt erblickte hierin einen steuerpflichtigen Vorgang und veranlagte einen Veräußerungsgewinn. Zur Begründung dieser Auffassung wurde in der Einspruchsentscheidung unter Bezugnahme auf Rz. 25 des BMF-Schreibens vom 7.2.2007, BStBl. I 2007, 262, ausgeführt, bei einer Vermietung handle es sich – anders als bei einem Leerstand – um eine steuerschädliche Nutzung, die zur Versagung der Ausnahme für eigengenutzte Wirtschaftsgüter führe. Hiergegen wandte sich die Klage. Nach Ansicht des Klägers war die Veräußerung nicht steuerbar, da er die Wohnung im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorausgegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt habe, denn die Norm des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2. Alt. EStG erfordere keine „ausschließliche“ Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Veräußerungsjahr.

II. Entscheidung

Das FG sah die Klage als begründet an. Nach Auffassung des erkennenden Senats gehe aus dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2. Alternative EStG eindeutig hervor, dass im Veräußerungsjahr keine Ausschließlichkeit der Eigennutzung gegeben sein müsse. Es genüge vielmehr eine zusammenhängende Nutzung, die sich über drei Kalenderjahre erstreckt. Dabei müsse die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken einzig in dem mittleren Kalenderjahr ganzjährig vorgelegen haben. Im Jahr der Veräußerung und im zweiten Jahr vor der Veräußerung sei eine Eigennutzung indes nicht während des gesamten Kalenderjahres erforderlich.

III. Beratungshinweis

Dieses Auslegungsergebnis stützt auch die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/23, 180): Der Gesetzgeber hat eine ungerechtfertigte Besteuerung von Veräußerungsvorgängen bei Aufgabe des Wohnsitzes (z.B. wegen Arbeitsplatzwechsels) vermeiden wollen. Dieser Zweck würde jedoch konterkariert, wenn ein Veräußerungsgewinn ob einer kurzzeitigen Vermietung bis zur Veräußerung steuerbar würde. Dann müsste, um eine steuerpflichtige Veräußerung zu vermeiden, die Wohnung bis zur (mitunter schwer vorhersehbaren) Veräußerung leer stehen, anstatt die finanzielle Doppelbelastung (bisherige Wohnung und Wohnung am neuen Arbeitsort) durch eine Zwischenvermietung abzumildern. Zudem ist nicht nachvollziehbar, weshalb eine (längerfristige) Vermietung vor Beginn des Dreijahreszeitraums unschädlich, eine kurzzeitige Vermietung bis zur Veräußerung am Ende einer langjährigen Eigennutzung jedoch steuerschädlich sein soll.

IV. Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung des FG stellt zutreffend heraus, dass § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2. Alternative EStG – anders als die 1. Alternative – keine Ausschließlichkeit der Eigennutzung erfordert. Dass es sich dabei nur um ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers handeln könnte, kann unter Rekurs auf die Gesetzesbegründung ausgeschlossen werden. Daher ist festzuhalten:

  • Weder aus dem Gesetz noch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift ergeben sich Anhaltspunkte dafür, zwischen einem „steuerbegünstigten Leerstand“ und einer „steuerschädlichen Vermietung“ zu differenzieren.
  • Für die 2. Alternative der in Rede stehenden Norm genügt daher äußerstenfalls bereits eine Eigennutzung von einem Jahr und zwei Tagen (31.12.01 bis 1.1.03).
  • Eine Eigennutzung liegt dabei bereits vor, sobald der Steuerpflichtige damit beginnt, die Wohnung zu beziehen, vgl. BFH IX B 159/07 v. 15.04.2008, BFH/NV 2008, 1341.
  • Beide Alternativen der Vorschrift des § 23 EStG erfordern zudem keine Ausschließlichkeit in sachlicher Hinsicht: Es kann sich bei den Immobilien daher auch um eine Zweitwohnung handeln, sofern diese dem Steuerpflichtigen als Wohnung (jederzeit) zur Verfügung steht, vgl. nur BFH IX R 37/16 v. 27.6.17, BStBl. II 17, 1192.
  • Im Übrigen ist auch eine Mitnutzung durch Angehörige oder Dritte unschädlich, solange dem Steuerpflichtigen eine eigenständige Haushaltsführung möglich bleibt, vgl. zutr. BMF v. 5.10.00, BStBl I 00, 1383 Tz. 22.

V. Ausblick

Das FG hatte die Revision nicht zugelassen, der BFH hat aber inzwischen der NZB des Finanzamtes stattgegeben. Das Verfahren ist unter dem Az. IX R 10/19 anhängig. Ein Ausgang im Sinne des klagenden Finanzamtes erscheint unter Berücksichtigung des Urteils IX R 37/16 des BFH v. 27.6.2017, BStBl. II 2017, 1192, dennoch unwahrscheinlich.