Wirksamkeitsvoraussetzungen der Kündigung eines Arbeitnehmers wegen häufiger Kurzerkrankungen

Das BAG hat die Voraussetzungen einer ausnahmsweise zulässigen außerordentlichen Kündigung eines Arbeitnehmers wegen häufiger Kurzerkrankungen präzisiert.

Zur rechtliche Ausgangslage:

Die Rechtswirksamkeit einer krankheitsbedingten ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses wird nach ständiger Rechtsprechung des BAG anhand folgender Maßstäbe geprüft: Zunächst setzt eine Kündigung eine negative Gesundheitsprognose voraus, d.h. dass im Zeitpunkt der Kündigung objektive Tatsachen vorliegen müssen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen. Dabei sind mehrere Stufen zu prüfen: Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können indiziell für eine entsprechende künftige Entwicklung sprechen (1. Stufe). Die prognostizierten Fehlzeiten allerdings sind nur dann geeignet, eine krankheitsbedingte Kündigung zu rechtfertigen, wenn sie zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Dabei können neben Betriebsablaufstörungen auch wirtschaftliche Belastungen, etwa durch zu erwartende, einen Zeitraum von mehr als 6 Wochen pro Jahr übersteigende Entgeltfortzahlungskosten, zu einer solchen Beeinträchtigung führen (2. Stufe). Ist dies der Fall, ist im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung zu prüfen, ob die Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen (3. Stufe).

Im Rahmen dieser Prüfungsabfolge entspricht es ständiger Rechtsprechung des BAG, dass ein Arbeitgeber, der beabsichtigt, das Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer wegen dessen häufigen Kurzerkrankungen ordentlich zu kündigen, eine Gesundheitsprognose erstellen muss, die sich – vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls – auf einen Referenzzeitraum von 3 Jahren vor Zugang der Kündigung bzw. vor Beteiligung einer Arbeitnehmervertretung stützt (1. Stufe).

Zum Urteil 2 AZR 6/18 des BAG vom 25.04.2018:

Das BAG bestätigt in seinem Urteil, dass die für eine ordentliche Kündigung erforderliche erhebliche Äquivalenzstörung im Arbeitsverhältnis bereits dann als gegeben angesehen werden könne, wenn der Arbeitgeber voraussichtlich für mehr als 6 Wochen im Jahr Entgeltfortzahlung leisten müsse (2. Stufe). Sei arbeits- bzw. tarifvertraglich eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen, könne aber im Einzelfall sogar eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sein. Für eine außerordentliche Kündigung würden sodann aber deutlich schärfere Wirksamkeitsvoraussetzungen gelten: Das Äquivalenzverhältnis müsse nicht nur erheblich, sondern „gravierend“ gestört sein. Dies könne bei häufigen Kurzerkrankungen dann der Fall sein, wenn der Arbeitgeber für mehr als ein Drittel der jährlichen Arbeitstage Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall leisten müsse. Mit dieser Aussage korrigiert und präzisiert das BAG seine Rechtsprechung, die zuvor selbst eine Entgeltfortzahlung von mehr als 36 % als nicht schlechterdings ausreichend für eine Kündigung angesehen hatte. Zur Vermeidung eines Wertungswiderspruchs müsse die außerordentliche Kündigung allerdings in jedem Fall mit einer Auslauffrist verknüpft werden, die der (fiktiven) ordentlichen Kündigungsfrist entspreche.

Wenn die v.g. Voraussetzungen vorliegen, gelangt man im Rahmen der Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung in die 3. Prüfungsstufe, die eine umfassende Interessenabwägung, insbesondere unter Einbeziehung von Dauer der störungsfreien Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten, Arbeitsmarktchancen, Dauer bis zum Renteneintrittsalter, verlangt.